Die Münchner Autorin Kathrin Hartmann berichtete im Gasthaus „John“ von ihren Reisen nach Indonesien, Bangladesch, wo sie für ihr Buch „Aus kontrolliertem Raubbau“ über die Auswirkungen der Green Economy recherchiert hatte. Bei der Lesung auf Einladung des Agrarbündnis Berchtesgadener Land/Traunstein zeigte Kathrin Hartmann die zerstörerischen Folgen des „grünen Kapitalismus“ sowie mögliche Alternativen auf……..
In deutlichen Worten schilderte die Autorin Kathrin Hartmann die Bedingungen, unter denen sogenannte „nachhaltige“ Erzeugnisse produziert werden: etwa von Palmöl oder auch von Shrimps. Foto: Eder
Als „international wettbewerbsfähige, umwelt- und sozialverträgliche Wirtschaft“ sowie als „Wachstumsmotor“ beschreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung sein „Leitbild der Green Economy“. Kathrin Hartmann erklärt: „Hinter dem Schlagwort verbirgt sich die Idee, Wachstum und Naturverbrauch mit Hilfe neuer Technologien zu ‚entkoppeln‘. Alle Versuche, destruktive Techniken und Rohstoffe durch ’nachhaltigere‘ zu ersetzen, sind aber gescheitert oder haben die Probleme sogar noch verschärft.“
Für die Herstellung von Elektroautos, Windrädern und Solarzellen würden beispielsweise große Mengen Seltener Erden benötigt, die in Kriegsgebieten oder auf Kosten Indigener abgebaut werden. Shrimps aus bangalischen Zuchtbecken würden mit Nachhaltigkeits-Siegeln exportiert, obwohl gegen den Willen der Bevölkerung Reisfelder und Mangrovenwälder zerstört worden seien. Und in Indonesien werden im Auftrag von großen Konzernen Regenwälder gerodet und Menschen vertrieben, um in Monokulturen Palmöl erzeugen zu können, das unter anderem für Biosprit, Fertigprodukte und Kosmetik verwendet wird. Dies alles sei „subventioniert durch die Politik, unterstützt von Umweltorganisationen und ausgezeichnet mit Nachhaltigkeitspreisen“, kritisiert Kathrin Hartmann.
„Ich ärgere mich, wenn das Falsche als etwas Gutes ausgegeben wird“, erklärt die Münchnerin ihre Motivation zum Schreiben. Als sie von der Verleihung des deutschen Nachhaltigkeitspreises 2013 in Düsseldorf berichtet, wird das Ausmaß des Zynismus von Wirtschaft, Politik und industriefreundlichen NGOs wie dem WWF deutlich. Deutsche Unternehmen, Verbände und Forschungseinrichtungen sowie die Bundesregierung vergeben die Auszeichnung für sogenannte „Spitzenleistungen der Nachhaltigkeit“. Bekommen hätten den Preis bisher fragwürdige Unternehmen wie BASF, Bayer, Henkel, C&A, Puma, Siemens, Rewe und Volkswagen. Das Festessen habe ausschließlich aus Fleisch und Fisch bestanden, und „nach eigenen Angaben haben die zwei Tage Weltrettungsevent mehr als 220 Tonnen CO2 verursacht – das ist so viel wie 600 Menschen in Bangladesch in einem Jahr ausstoßen“, schreibt Hartmann.
„Es gibt kein Recht auf einen Lebensstil, der anderen schadet“, ist die 45-Jährige überzeugt. Befürworter des „grünen Wachstums“ würden vorbringen, dass auch Menschen in Entwicklungsländern ein Recht auf die „Segnungen des Fortschritts“ hätten. Die Kleinbauern dort hätten jedoch ganz andere Vorstellungen von ökologischer und sozialer Gerechtigkeit, stellt die Autorin klar. So wie Brutus, der Dorfvorsteher eines der wenigen intakten Urwalddörfer auf Borneo. „Wir haben Fruchtbäume, Gemüsegärten, Geflügel, Honig, Wildkräuter, Medizinpflanzen. Wir haben alles hier, außer einem Supermarkt. Den brauchen wir nämlich nicht. Der Wald gibt uns alles, was wir brauchen“, sagt er.
Solidarität, Mut und Entschlossenheit
Wirtschaftswachstum und überbordender Konsum seien laut Anhängern der Green Economy gut für die Welt, solange sie innovativ und intelligent gemacht seien. Dem widerspricht Hartmann: „Wir können uns für ein anderes Leben jenseits der Wachstums- und Konsumzwänge entscheiden“, das Wachstum selbst sei das Problem, und man müsse Alternativen dazu finden. Individueller Verzicht alleine und ein bloßer Rückzug aus dem System werde nicht zu einer gesellschaftlichen Veränderung führen. Große Hoffnung machen ihr aber die vielen widerständigen Aktivisten, Indigenen und Kleinbauern, die sie auf ihren Reisen getroffen hat.
Auch in Deutschland sieht sie das „Potenzial gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen“: Etwa bei der „Wir haben es satt“ – und der Anti-Atomkraft-Bewegung sowie den TTIP-Protesten. Kathrin Hartmann ruft dazu auf, dass bereits gelebte Alternativen wie die eigenständige Energieversorgung von Kommunen, ökologisch ausgerichtete, solidarische Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten und Genossenschaften nicht bloß kleine Nischen bleiben dürfen: „Mit Solidarität, Mut und Entschlossenheit können wir Veränderung auf jeden Fall gemeinsam bewirken.“
Davon ist auch Elisabeth Aschauer überzeugt. Sie wandte in der Diskussion zwar ein, dass man einen „langen Atem“ brauche, bis sich gesellschaftlich grundlegend etwas verändert. „Zu sagen ‚Da kann man eh nix machen‘ ist aber das Schlimmste“, meinte die BDM-Kreisvorsitzende im Berchtesgadener Land und verwies auf die Bundestagswahlen im September. Im Vorfeld könne man beispielsweise Politikern Fragen stellen und an Demonstrationen teilnehmen. Margot Rieger aus Obing warnte vor dem Freihandelsabkommen CETA: „Konzerne erhalten damit ein Grundrecht auf ungestörte Investitionsausübung“. Die Parlamente in den meisten EU-Ländern, so auch in Deutschland, müssten aber erst noch zustimmen. Voraussichtlich geschehe dies erst in der nächsten Legislaturperiode. Deshalb sei es wichtig Politiker bei Veranstaltungen darauf anzusprechen.
„Selbst in die Politik gehen“
Heiner Müller-Ermann aus Dorfen geht noch einen Schritt weiter: „Der effektivere Weg ist, selbst in die Politik zu gehen. Denn Politik ist die Diskussion über die Frage ‚Wie wollen wir morgen leben?’“, und darauf könne man in einer Partei Einfluss nehmen, da die Basis beispielsweise die Kandidaten wähle. Er appellierte besonders an junge Menschen, die in Parteien selten seien: „Wir tragen euch auf Händen. Man kann etwas verändern und muss nicht auf langsamen, mühsamen Fortschritt vertrauen“.
Der Landwirt Hans Spitzel aus Grafing betonte die maßgebliche Rolle der landwirtschaftlichen Ausbildung, die den Strukturwandel in Richtung großer Betriebe vorantreibe. Er wollte von Kathrin Hartmann wissen, ob sie Erkenntnisse zu pfluglosem Ackerbau habe, da die CO2-Mengen, die beim Pflügen frei werden, enorm seien. Die Autorin berichtete, dass unter anderem auch die Bill-Gates-Stiftung dieses Problem erkannt habe. Deren vermeintliche Lösung sei aber, „möglichst viel Chemie auf das Feld zu schütten, damit nicht gepflügt werden muss“. Leonhard Strasser gab bekannt, dass das Agrarbündnis einen Vortrag zum Thema plane.
„Die kirchlichen Hilfswerke, wie Misereor, Missio oder Adveniat, haben den richtigen Anspruch und gehen kleine Schritte in die richtige Richtung“ ist Sepp Rottenaicher aus Halsbach überzeugt. Er sieht drei Möglichkeiten, Veränderungen einzuleiten: „Die erste ist Überzeugungsarbeit oder Werbung, die zweite über das Ordnungsrecht und politische Mehrheiten und die dritte über den Preis.“ Die zusätzliche Startbahn am Münchner Flughafen sei nur deshalb vermeintlich notwendig, weil Billigflieger subventioniert würden, anstatt Kerosin zu besteuern.
Sandra Mulzer meinte abschließend, dass es wichtig sei, auch „Positivbeispiele ans Licht zu bringen“, und dass viele wegen beruflicher Belastungen keine Zeit und Kraft mehr hätten, sich differenziert zu informieren. Dazu schreibt Kathrin Hartmann: „Wir brauchen bessere und weniger Arbeit, die Zeit lässt, um mit anderen Menschen die wichtigen Fragen zu diskutieren, ein neues, starkes Miteinander, das das schale Glück des Konsums ersetzt.“ – su
Kathrin Hartmann, geboren 1972 in Ulm, studierte in Frankfurt/Main Kunstgeschichte, Philosophie und Skandinavistik. Nach einem Volontariat bei der »Frankfurter Rundschau« war sie dort Redakteurin für Nachrichten und Politik. Von 2006 bis 2009 arbeitete sie als Redakteurin bei »Neon«. 2009 erschien bei Blessing „Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt.“, 2012 erregte ihr Buch über die neue Armut – „Wir müssen leider draußen bleiben“ – großes Aufsehen. Kathrin Hartmann lebt und arbeitet in München.