Waging. (al) Europa exportiert nicht nur seine Milch, sondern auch seine Krise. Das wurde klar bei der Eröffnung der mehrtägigen Ausstellung des BDM (Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V.), unter dem Titel: „Milch reist nicht gerne – Milchbauern schon“ in der Tourist-Info in Waging. Der BDM hatte eingeladen zu einem Vortrag und einer Diskussion mit Adamo Dembele aus Mali und Johannes Pfaller, Beiratsmitglied des BDM, beim Empfang zur Eröffnung der Ausstellung. Milchbauer Pfaller und sein Kollege Christoph Lutze hatten eine Reise nach „Burkino Faso“, das Land der „Aufrechten Menschen“ unternommen, um sich über die Situation der Milchbauern dort zu informieren“. Sepp Hubert, der Kreisvorsitzende des BDM für Traunstein, konnte dazu, neben Dembele und Pfaller offiziell auch den 3. Bürgermeister von Waging, Felix Daxenberger, sowie Paul Obermeier, Stadtrat und Referent für Landwirtschaft in Traunreut begrüßen. Anwesend war auch der Leiter des Landwirtschaftsamtes Traunstein, Alfons Leitenbacher und als Vertreter des BBV die Ortsbäuerin von Teisendorf und Vertreterin der Kreisbäuerin im BGL, Resi Enzinger und Hans Gruber, Mitglied der Kreisvorstandschaft des BBV Traunstein. Enttäuscht zeigte sich Hubert über das Nichterscheinen der von ihm speziell eingeladenen Bürgermeister aus den Kommunen der Kreise Traunstein und BGL. Hubert sagte in seiner Begrüßung, der BDM wolle mit dieser Ausstellung Probleme aufzeigen, die durch die Handelspolitik der EU in afrikanischen Ländern verursacht würden. Zugleich wolle der BDM aber auch nach Lösungen suchen, wie diese Probleme vermieden werden könnten.
Adamo Dembele, der General Sekretär von FENALAIT (Federation Nationale des Produkteurs de Lait du Mali) in Mali. Dembele, der Französisch spricht sagte, übersetzt von einer Dolmetscherin, sagte er sei zwar aus Mali, nicht Burkina Faso, über das Johannes Pfaller berichten werde. Die Probleme der Milchproduzenten seien aber in ganz Westafrika dieselben. Er könne daher diese Probleme auch im Hinblick auf Burkina Faso beschreiben. Er komme gerade aus Brüssel, wo eine Delegation von Milchproduzenten aus sechs Ländern in Westafrika Treffen mit Abgeordneten des EU Parlaments und der Wirtschaftskommission der EU, hinsichtlich der Handelspolitik der EU hatte. Insbesondere natürlich in Bezug auf Milch und Milchprodukte.
Dembele beschrieb die Situation in Westafrika als eine, in der die Einheimischen versuchten, durch den Aufbau von kleinen, regionalen Molkereien Selbstversorger zu werden. Diese Bemühungen würden aber durch den Export von billigem, mit Palmöl gestrecktem Milchpulver aus der EU in diese Länder zunichte gemacht, denn das EU Milchpulver werde zu einem Preis angeboten, der nur etwa ein Drittel bis zur Hälfte der lokalen Milch betrage. Als die Hauptprobleme, mit denen die Milchbauern und Mini-Molkereien in Afrika zu kämpfen hätten, beschrieb Dembele als einen Mangel an Möglichkeiten die Milch haltbar zu machen, also Kühlmöglichkeiten. Schwierig sei auch der Transport von Milch über größere Strecken, wegen fehlender Infrastruktur. Am schlimmsten sei aber die Konkurrenz der billigen Trockenmilch aus der EU. Dembele beklagte auch die Relation, mit der Geschehnisse in der Ersten Welt und der Dritten behandelt würden. Wenn einige Tausend durch den Einsturz der Türme in New York umkämen, beherrsche das die Nachrichten für Monate und führe sogar zu Kriegen. Wenn aber Millionen in der Dritten Welt Hungersnöte erleiden und hunderttausende durch Hunger und Seuchen sterben, sei das kaum Schlagzeilen wert in den Nachrichten. Dabei seien, zumindest teilweise, die Handelspraktiken und der Neo-Kolonialismus der Ersten Welt schuld an diesen Desastern. Die Bauern in den Westafrikanischen Ländern hätten ohnehin einen schweren Stand durch das Klima, mit nur drei Monaten Regenzeit und neun extrem trockenen.
Sepp Hubert meinte zum Vortrag von Dembele, er habe ihm bewusst gemacht, Afrika sei gar nicht so weit weg von Europa und die Probleme seien grundsätzlich dieselben. Deshalb brauchten die Milchbauern, hier wie dort, starke Organisationen, wie den BDM, die für sie sprechen. Der Milchmarkt dürfe nicht dem „Markt“ überlassen werden. Der sogenannte „Freie Markt“ sei ein zerstörerisches System für Milchbauern und Landwirte insgesamt. Bei einer Philosophie, wie der des Kapitalismus und des freien Marktes, von Profit, Profit, Profit, zahle fast immer der Produzent, das letzte Glied in der Kette, die Zeche.
Johannes Pfaller meinte, es sei schön die Leute seien hier, um ihn bei seinem Bericht über die Erlebnisse bei seiner Reise nach Burkina Faso zu begleiten, wie es auch in der Einladung zu dieser Ausstellung heiße. Die EU sei der größte Milchproduzent der Welt, mit massiver Überproduktion, die irgendwo hin müsse. Nachdem die Produktion die Absatzmöglichkeiten für Frischmilch und viele andere Milchprodukte innerhalb Europas weit übersteige, seien etwa 400.000 Tonnen Trockenmilch eingelagert, sagte Pfaller. Die Trockenmilch sei zudem noch mit Palmfett gestreckt. Diese Milch werde zum großen Teil nach Afrika exportiert und dort zu einem Schleuderpreis verkauft. Um diesen Preis zu ermöglichen seien europäische Großmolkereien auch daran interessiert den Milchpreis, hier wie dort, auf einem möglichst niedrigen, sprich „wettbewerbsfähigen“ Niveau zu halten. Das zerstöre die dort mühsam aufgebauten Märkte für lokale und regionale Produkte, denn die durch Armut ohnehin gepeinigte Bevölkerung greife natürlich zu den billigeren, aus Europa importierten Produkten. Zudem drängten jetzt verstärkt große europäische Molkereien nach Afrika, sagte Pfaller, um dort in eigenen Anlagen, zumeist das billige, importierte Milchpulver zu Produkten wie Joghurt, Trinkmilch und Kondensmilch zu verarbeiten. Pfaller tadelte in dieser Beziehung BBV und DBV, die diesen Praktiken durch ihre Beziehungen zu Industrie und Großgrundbesitzern, nicht genug entgegenwirken würden.
Diese Philosophie mache natürlich den dortigen Milchbauern und den kleinen lokalen Molkereien zu schaffen und treibe sie in den Ruin. Zugleich litten auch unsere Bauern darunter, denn sie würden zur Überproduktion angestachelt, um den Preis niedrig zu halten. Eine Lösung um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, sei eine, durch Regierungen Europaweite Regelung zu schaffen, die diese Überproduktion eindämmen würde. Das würde auch den afrikanischen Bauern und den Kleinmolkereien eine Chance geben, den eigenen Markt und die Eigenproduktion zu entwickeln. Denn ein fairer Preis für ihre Milch würde dort auch Arbeitsplätze schaffen und die Armut verringern. Die dortigen Gesellschaften seien ohnehin daran interessiert, mit den erarbeiteten Profiten in Kühlanlagen und Infrastrukturen zu investieren, wie er mit einigen Bildern gezeigt hatte. Abschließend zu seinem Vortag sagte Pfaller, er habe bei dieser Reise einen überzeugenden Eindruck gewonnen, über die Probleme der Bauern und kleinen Molkereien in Burkina Faso und zugleich über Lösungsansätze, wie diese zumindest gelindert werden könnten.
In der folgenden Diskussion echauffierte sich die BBV Vertreterin, Resi Enzinger, über die „Schlechtmachung“ Deutschlands im Vortrag. Sie meinte, wenn Pfaller so viel über die richtige Weise wisse, wie der Markt gelenkt werden müsse, solle er doch als Kanzlerkandidat auftreten. Pfaller antwortete, er sei keinesfalls daran interessiert Deutschland schlecht zu machen, sondern wolle nur Wege aufzeigen, wie sowohl den Milchbauernbauern hier wie dort ein auskömmliches Wirtschaften ermöglicht werden könnte. Hans Gruber kritisierte Pfaller für dessen Kommentare über BBV und DBV. Pfaller entgegnete, er meine es gebe auf lokaler Ebene viele Vertreter der Bauernverbände, mit denen sehr wohl über die angeführten Probleme zu reden sei. In den höheren Regionen dieser Organisationen, auch bei Europaweiten, verleiteten aber Eigeninteressen und die Verbindungen zur Industrie zu Entscheidungen, die für Kleinbauern, sowohl in Deutschland, als in Afrika konträr seien.
Die meisten der Besucher der Eröffnung der Ausstellung zeigten sich aber offen zu den Darstellungen Dembeles und Pfallers und schlossen sich ihren Ansichten über die Verhältnisse auf den Milchmärkten an.