Industrialisierte Länder akzeptieren Weltuntergang für Profit

Als Dank für seinen Vortrag überreichte der Sprecher des Agrarbündnisses TS/BGL, Leonhard Strasser (r.) eine DVD des Films vom Bündnis „Weiloisirgendwiazamhängd“  an Prof. Dr. Lessenich.    Foto: Alois Albrecht

Weibhausen. (al) Klar ausgedrückt bedeutet Sintflut Weltuntergang, hört sich aber nicht so radikal an. In dem Buch „Neben uns die Sintflut – Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis“, von Dr. Stephan Lessenich, Professor an der Ludwig Maximilian Universität München, beschreibt der Autor die Auswirkungen der wirtschafts- und politischen Systeme der industrialisierten Länder auf andere Erdregionen. Seine Theorie gab für das Agrarbündnis TS/BGL den Anstoß Prof. Lessenich für einen Vortrag und eine Diskussion einzuladen.
Neulich fanden diese im Gasthaus Weibhausen statt. In seinen Ausführungen sagte Prof. Lessenich, es gebe eine schier unendliche Liste der Frevel an Natur und Menschen, die durch unsere ökonomischen und politischen Systeme verursacht werden, er wolle aber nur einige davon zur Sprache bringen. Als erstes davon erwähnte er den Gebrauch von Glyphosat. Daran zeige sich, wie auch wir von unseren eigenen Untaten betroffen werden. Selbst hierzulande würden Rückstände, vor allem durch importiertes Soja, in Dingen wie Muttermilch, Bier und vielen weiteren gefunden. Sogar im Eis nahe dem Nordpol könnten Spuren des Pflanzengiftes nachgewiesen werden. Dennoch meint der Vorsitzende des DBV (Deutscher Bauern Verband) Joachim Ruckwied, dazu; „Regt euch nicht auf, das ist kein Problem, denn hierzulande wird nur ein Prozent des weltweiten Gebrauchs versprüht“. Obwohl nach Ansicht vieler das schon zu viel sei, liege das eigentliche Problem bei den Mengen, die in importiertem Soja und anderen Dingen enthalten seien, meinte der Professor. Irrwitzige Mengen würden auf den Monokulturplantagen Südamerikas, Chinas und Südostasiens ausgebracht. Die wirklich schrecklichen Schäden durch Glyphosat würden also von uns Europäern in andere Länder ausgelagert. Dabei entstünden durch unseren Ressourcenhunger obendrein horrende Schäden an Natur und Bevölkerung dieser Länder, wie durch Brandrodungen, Enteignung und Vertreibung von Kleinbauern, um Platz zu schaffen für Palmöl-, Soja- und andere Monokulturen.
Die schlimmsten Kosten des, für den Kapitalismus unabdingbaren Wachstums, würden also Anderswo anfallen. Unser System könnte auch als eine neue Form von Kolonialismus bezeichnet werden. „Gesellschaften wie die unsere, können nur durch solche Auslagerungen existieren“, beteuerte Prof. Lessenich. Wir würden aber von den Konsequenzen großenteils noch verschont und könnten sie ausblenden. Leider werden aber unsere Kinder den von uns verursachen Klimawandel und andere Widrigkeiten unweigerlich ausbaden müssen. Ohnehin seien die, sogenannten, Gewinne aus dem Kapitalismus auch bei uns, jetzt schon, sehr ungleich verteilt. Es sei keine einseitige Systemkritik, die er verbreiten wolle, sagte Prof. Lessenich, aber Systeme könnten nicht existieren, ohne Menschen, die sie verbreiten und mittragen und unsere Interessen hängen daran, dieses System weiterzutragen. Es scheine ein Großteil unserer Gesellschaft lehne dieses System ab, aber wir akzeptieren in ihm zu leben. Die Auswirkungen des Systems würden ohnehin auch hier schon sichtbar, durch Flüchtlinge, Arbeitsmigration innerhalb Europas, Wettersymptome, arbeitsinduzierten Stress und die dadurch entstehenden psychischen und physischen Probleme und weitere Indizien des auf Dauer nicht lebensfähigen Systems. Deshalb auch der Titel seines Vortrages; „Neben uns die Sintflut“, die aber auch uns in nicht allzu ferner Zeit erreichen wird.
In der dem Vortrag folgenden Diskussion wurden ebenfalls Dinge angesprochen, die sich jetzt schon hier bemerkbar machen, wie Krankheiten und Wetterkapriolen. Ein Teilnehmer bemerkte, es müsse uns doch klar sein, die Dinge, die wir in anderen Erdteilen verursachen, würden auf uns zurückfallen. Ländern in Afrika und dem pazifischen Raum würden sogenannte „Freihandelsabkommen“ und unser System von der EU und den USA mehr oder weniger aufgezwungen. Stattdessen sollte diesen Ländern erlaubt werden ihren eigenen Aufbau zu bewerkstelligen und sie dabei unterstützen. Bekrittelt wurde auch das Ansinnen, die am besten ausgebildeten Leute dieser Länder bei uns anzuheuern und ihnen dadurch die für eine sinnvolle Entwicklung nötigen Kräfte und Eigenschaften abzuwerben. Eine solche Entwicklung sei aber von der EU und den USA unerwünscht, meinte ein Diskussionsteilnehmer, denn sie würde deren Einfluss und ihre Übermacht schmälern. Überhaupt seien die Menschen in der EU recht gut darin, solche Abkommen auszublenden, wehrten sich aber vehement, wenn ihnen selbst Abkommen, wie CETA, oder TTIP aufgezwungen werden sollen, meinte nicht nur ein Diskussionsteilnehmer.
Auch unsere eigene, angebliche Freiheit, wurde aufs Korn genommen. Dazu zitierte jemand den amerikanischen Sozialkritiker Noam Chomsky, der sagte; „Der schlaueste Weg, Menschen passiv und gehorsam zu halten, ist, das Spektrum an akzeptabler Meinung streng zu beschränken, aber eine sehr lebhafte Debatte innerhalb dieses Spektrums zu ermöglichen – sogar die kritischeren Ansichten zu fördern. Das gibt den Menschen ein Gefühl, es gäbe ein freies Denken, während die Voraussetzungen des Systems durch die Grenzen der Diskussion gestärkt werden.“ Einer Diskussionsteilnehmerin ging es darum, wie es möglich wäre, das Informationsdefizit der breiten Öffentlichkeit über viele der hier zur Sprache gebrachten Themen zu reduzieren. Als Antwort bekam sie, das sei sehr schwierig, wegen der Verlogenheit der Eliten, Korruption und der Lethargie der Öffentlichkeit. „Durch unsere geistige Trägheit und Gleichgültigkeit geben wir den Eliten in Politik und Wirtschaft die Möglichkeit uns ihr kapitalistisches System überzustülpen und tragen es deshalb mit.“. So werde es möglich, Freihandelsabkommen ohne jeglichen Einfluss von Arbeitnehmern, Naturschützern, Sozialkritikern und anderen Opponenten des Abkommens auszuhandeln. Eine Diskussionsteilnehmerin meinte es sei fast unerträglich, unsere Schuld an dieser Sintflut neben uns auszublenden. Die Antwort darauf, wir dürften nicht alle Schuld auf uns laden, müssten uns aber bewusst darüber sein und die sozialen Ungleichheiten, hier wie dort, immer wieder ansprechen. Eine Frage befasste sich mit möglichen Gegenbeispielen zum bestehenden System. Darauf wurde auf das Zitat von Noam Chomsky hingewiesen, die Diskussion darüber falle außerhalb der erlaubten Grenzen und werde von Anbeginn verunglimpft und als unmöglich dargestellt.

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