Die Wegwerfkuh

Dr. Tanja Busse

„ Die Wegwerfkuh, das Wegwerfsystem , der Wegwerfbauer“

Die deutsche Landwirtschaft produziert immer mehr Milch, Fleisch und Eier in immer kürzerer Zeit. Die Effizienz scheint ihr bestes Argument zu sein. Nur mit den Methoden der Agrarindustrie könne man neun Milliarden Menschen ernähren, behaupten deren Anhänger. In ihrem neuen Buch Die Wegwerfkuh belässt Tanja Busse es nicht bei der schonungslosen Kritik der Missstände und Abhängigkeiten, sondern zeigt auch Wege zu einer nachhaltigen Landwirtschaft auf…………

Weibhausen. (al) Die immer gut besuchten und interessanten Vorträge des Agrarbündnisses TS/BGL erfuhren neulich im Gasthaus Weibhausen eine Fortsetzung. Der Sprecher des Agrarbündnisses, Leonhard Strasser hatte Dr. Tanja Busse, Journalistin und Autorin, eingeladen um über die industrielle Landwirtschaft und was dabei falsch läuft zu referieren und hernach darüber zu diskutieren. In ihrem neuesten Buch; „Die Wegwerfkuh“ legt Busse dar wie die moderne Agrarwirtschaft, sowohl Tiere, als auch Bauern und die Natur buchstäblich „verheizt“ und dabei ihre eigene Zukunft verspielt. In Weibhausen untermauerte Busse ihre Behauptungen mit anschaulichen Beispielen. Sie zeigte aber auch Wege auf, wie und mit welchen Mitteln der, von Bauernverbänden, Politik und Industrie immer wieder aufgeführten Maxime des „Wachsens oder Weichens“ entgegengewirkt werden könnte.

Leonhard Strasser begrüßte im fast voll besetzten Saal die Referentin, Vertreter des Landwirtschaftsamtes, des Schlachtviehverbandes, des BDM (Bund Deutscher Milchviehalter) und der AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft). Strasser sagte in seiner Einführung, Landwirtschaft gehe alle an. Sie sei nicht nur Sache der Bauern. Auch als Verbraucher könnten wir uns nicht für oder gegen die Landwirtschaft entscheiden, denn diese produziere unser aller Essen. Die Landwirtschaft gestalte zudem maßgebend unsere Landschaft und Umwelt. Die Gesellschaft als Ganze trage deshalb auch Verantwortung dafür, welche Art von Landwirtschaft wir wollen. In unserer Gegend würden noch viele Höfe im Haupt- oder zumindest Nebenerwerb betrieben, sagte Strasser. Ob dies aber so bleibe, sei in der gegenwärtigen Situation fraglich, denn wegen der niedrigen Preise für landwirtschaftliche Produkte entschieden sich viele Hoferben, lieber in einen Beruf außerhalb der Landwirtschaft zu gehen, wo sie mit weniger Arbeit mehr verdienen könnten. Deshalb müssten klare Signale gegeben werden, sowohl vom Verbraucher, als auch den Berufsverbänden und der Politik, um die kleinstrukturierte, bäuerliche Landwirtschaft attraktiv zu machen. Es sei die kleinstrukturierte Landwirtschaft, die für die schönsten Landschaften, fruchtbarsten Böden und glücklichsten Tiere stehe und um diese zu erhalten müssten Bauern wieder eine Perspektive bekommen. Deshalb wolle das Agrarbündnis TS/BGL einer Industrialisierung der Landwirtschaft entgegentreten und den Menschen, auch jenen außerhalb der Landwirtschaft klarmachen, sie seien direkt und genauso betroffen vom Strukturwandel wie die Bauern selbst.

Tanja Busse begann ihr Referat mit der Bemerkung, die Weltmarktorientierung, die gegenwärtig vom DBV (Deutscher Bauernverband) und der Politik propagiert werde, berge große Risiken, insbesondere für Bauern. Diese hätten keinerlei Einfluss auf die Absatzmärkte und ihre Exporte gingen sehr oft auf Kosten der Erzeuger in den Importländern. Die Exporte dienten nur großen Unternehmen, seien aber schlecht für Bauern, hier wie dort. Bauern, auch jene in der industriellen Landwirtschaft könnten nicht kurzfristig umsteuern, wie in anderen Industriezweigen und Preise auf den Weltmärkten für Rohstoffe der Ernährungsindustrie seien unkalkulierbar. Der DBV und die gängige Politik seien dennoch fixiert auf den Weltmarkt. Um auf diesem zu bestehen, müsse sehr viel möglichst billig produziert werden. Zudem stünden den vielen Einzelerzeugern wenige große Verarbeiter- und Einzelhandelsketten gegenüber, was die Marktmacht der Erzeuger sehr einschränke. Um die für die Weltmärkte nötige Größe und Effizienz zu erreichen, müssten Produzenten auch sehr viel investieren und sich, besonders durch die Ungewissheit der Erträge, damit auf ein hohes finanzielles Risiko einlassen. Dennoch werde bisher von Funktionären und Beratern nur ein Weg gepredigt, nämlich; „Wachse oder Weiche“. Ganz nach dem Motto TINA (There Is No Alternative), es gibt keine Alternative, mit dem die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher ihre Marktliberalisierung einleitete. Ein Spruch, der auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne verwendet wird. Diese Denkweise führe zu immer mehr Leistungsdruck, weniger Solidarität und schüre eine „Ellenbogenmentalität“, sagte Busse. Diese Mentalität stünde aber traditionellen bäuerlichen Lebens- und Wirtschaftsweisen völlig entgegen. Bauern wären seit jeher nicht auf einen Imperativ von „immer mehr“ ausgerichtet, sondern hätten zumindest die Natur als begrenzenden Faktor anerkannt. Besonders seit dem Wegfall der Milchquote sei offensichtlich, der Markt reguliere sich nicht selbst, indem er automatisch Angebot und Nachfrage in Einklang bringe. Jetzt gerieten selbst große Betriebe unter Druck. Sie könnten finanziellen Verpflichtungen und Anforderungen nicht mehr nachkommen. Dabei bleibe eine Normalisierung der Märkte für die absehbare Zukunft ein frommer Wunsch, bekundete Busse. Trotzdem verfolgten DBV und Politik stur ein „weiter so“. Diese Agenda und das dahinter stehende „Wegwerfsystem“ führe dazu, dass Tiere, besonders Kühe, aber auch die Bauern selbst zu entbehrlichen Wegwerfartikeln degradiert würden, die auf dem Weltmarkt beliebig durch andere ersetzbar wären.

Überhaupt stehe die moderne Landwirtschaft im Gegensatz zur Realität. In Reklamen würden glückliche Kühe, Hühner und Schweine auf grünen Weiden in herrlichen Landschaften gezeigt, während in der Realität diese Tiere massenhaft in enge Ställe gepfercht werden und niemals Tageslicht sähen. Diese Diskrepanz habe sehr zum oft negativen Image der Landwirtschaft beigetragen, denn Verbraucher sind sich dessen, nicht zuletzt durch Lebensmittelskandale, bewusst geworden. Zudem werden Verbraucher immer besser über die massenhafte Verwendung von Antibiotika, zu viel Gülle auf den Wiesen und importiertes Kraftfutter informiert und wollen diese Form der Landwirtschaft nicht länger dulden. Es stimme auch nicht, dass Verbraucher nicht willig seien, einen angemessenen Preis für Lebensmittel zu bezahlen, sagte Busse. Solange aber in der Lebensmittelindustrie und unter den Einzelhandelskonzernen auf dem Rücken der Erzeuger ein ungezügelter Preiskampf ausgefochten werde, würden manche Verbraucher aber natürlich immer zum billigsten Produkt greifen.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen bedürfe es einer Allianz zwischen Bauern, Verbrauchern und der Politik. Der Einklang von den vorher erwähnten Reklamen mit glücklichen Tieren, grünen Weiden und der Realität müsse angestrebt werden, sagte Busse. Eine Führung durch einen Bauernhof dürfe nicht Einhergehen mit dem Anlegen von Schutzkleidung, Atemmasken und einem Lauf durch ein Desinfektionsbecken, um Hühner zu sehen die sich aus Frustration gegenseitig die Federn ausrupfen, oder Schweine, die unter Metallgittern in Buchten stehen, in denen sie sich nicht umdrehen können. Es sollte eine Assoziation von glücklichen Tieren, gesunder Umwelt, gutem Gewissen, beim Bauern und dem Verbraucher und dem Genuss, der durch die dabei erzeugten Lebensmittel entstehe angestrebt werden, sagte Busse. So könne eine Brücke entstehen zwischen Produktion und Konsum. Bauern müssten sich auf Tradition und Werte besinnen. Dies sei aber nicht zu erreichen mit Massentierhaltung und Quälerei.

In der dem Referat folgenden Diskussion wurde vor Allem der Zwiespalt, zwischen den Vorgaben von DBV und Politik und der traditionellen, bäuerlichen Landwirtschaft erwähnt. Wie fast immer wurde dabei auch offenbar, die Anwesenden waren zu einem großen Teil schon Befürworter zu der Art von Landwirtschaft, die im Referat erwähnt worden war. Leider, meinten viele aber, der Kampf gegen die industrielle Landwirtschaft sei einer gegen Windmühlen, solange die Politik und der DBV auf die falsche Karte setze und nicht der traditionellen, bäuerlichen Art der Landwirtschaft den Vorrang gebe.

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Abschließend dankte Leonhard Strasser der Referentin im einem Geschenkkorb und den Anwesenden für ihr Kommen und die Teilnahme an der Diskussion.

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