Der Wald ist nicht nur Schauplatz für Märchen, Sagen und Legenden

Dieser Artikel ist erschienen in den

Ökosozialen Zeitansagen
Heimat Europa gestalten
Ökosoziales Forum Niederalteich
ISBN 978-3-95907-018-8

Unser Wald – ein Plädoyer

Weißt du was ein Wald ist? Ist ein Wald etwa nur zehntausend Klafter Holz? Oder ist er eine grüne Menschenfreude? (Berthold Brecht)

Wir brauchen den Wald
Alle wollen was von ihm: Er ist Sauerstofflieferant und filtert die Luft, speichert Regenwasser und reinigt unser Trinkwasser, ist Klimaregulator und kann der Atmosphäre große Mengen CO2 entziehen. Im Gebirge schützt er vor Lawinen und Steinschlag. Er ist Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten,
an Gewässerufern dient er der Lebendverbauung. Wald ist Schallschlucker und mindert die Strahlenbelastung. Er bietet Heimat, schützt Kulturdenkmäler und wirkt sich positiv auf Leib und Seele aus. Er dient der Erholung und Gesundheit. Für viele ist er ein Stück Wildnis und pure Natur. Er ist Rohstofflieferant für Bauholz, Möbel, Papier und Heizmaterial und sollte auch noch Einkommen für seine Besitzer bringen. In vielen Märchen, Sagen und Legenden ist er Schauplatz. Er ist Heimat und in ihm wurde auch die Heimat verteidigt. Das ist unser Wald, er nützt allen.

Die Wälder gehen den Menschen voran, die Wüsten folgen ihnen. (Franciose Rene`Chattaubriant)

Schauen wir zurück
Vor zirka 7000 Jahren begann die Siedlungstätigkeit in Mitteleuropa. Man rodete und brauchte das Holz zum Bauen, Heizen und für Werkzeuge. Wenn das Holz verbraucht war, zog man einfach weiter und der Wald wuchs wieder zu, wenn auch vielleicht mit anderen Baumarten. Das hat sich mehrere Jahrtausende so hingezogen, bis man begann, Städte zu gründen. Der Städtebau und die Erz- und Salzgewinnung verschlangen Unmengen an Holz. Neue Wälder konnten nicht mehr heranwachsen, so dass das Holz von immer weiter hertransportiert werden musste. Es wird wohl das erste Massenhandelsgut gewesen sein. Dass es in Deutschland im Vergleich zum Rest von Mitteleuropa noch verhältnismäßig viel Wald gab, war dem Umstand geschuldet, dass die vielen Landesherren ihre Wälder für die Jagd unter Bann stellten. Anfang des 18. Jahrhunderts hat Carl von Carlowitz aus purer Holznot das erste Lehrbuch der Forstwirtschaft veröffentlicht und dabei den Begriff der Nachhaltigkeit geprägt. Nun bepflanzte man vor allem jene Flächen, die landwirtschaftlich verbraucht oder als Hangflächen schlecht zu bewirtschaften waren. Man erwartete, dass Fichten auf diesen minderwertigen Böden gut wachsen würden und auf den ganz armen Böden pflanzte man Kiefern. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen fossiler Energieträger, ging der Holzverbrauch merklich zurück und die Waldflächen konnten wieder zunehmen. Im Dritten Reich wurden viele Wälder zur Kriegsfinanzierung benötigt und später für Reparationszahlung geopfert. Durch die vielen Kahlschläge kam es in Ackerbaugebieten bereits zu Bildung von Wanderdünen. Um den Wind vom Boden abzuhalten, erkannte man schon die Notwendigkeit von Wäldern, und so pflanzte man wieder die wirtschaftlich interessanteren Fichten und Kiefern. So stieg die Waldfläche erneut auf ca. 30% der Landesfläche, aber aus der einst ursprünglichen biologischen Vielfalt wurden widernatürliche, artenarme Fichten- und Kiefern- Monokulturen, die immer instabiler und anfälliger für Unwetterereignisse und Schädlinge wurden. Als ob das nicht schon genug wäre, kommt jetzt noch die Klimaerwärmung mit ihren Wetterkapriolen dazu.
Um die Gemeinwohlfunktionen unserer Wälder in Zeiten der Klimaveränderung nicht zu gefährden und in vielen Gebieten zu verbessern, brauchen wir naturnahe, arten- und strukturreiche Mischwälder mit hohem Laubholzanteil. Wir brauchen Wälder, die sich aus sich heraus verjüngen, um sich den klimatischen Veränderungen immer wieder anpassen zu können. Erfahrungsgemäß können naturnahe Mischwälder das Risiko für klimabedingte Schäden wie z.B. Dürre, Insektenkalamitäten und Sturmwurf im Wald minimieren. Solche Wälder sind auch besser in der Lage, ihren gesamten gespeicherten Genpool zu nutzen. Voll funktionsfähige Wälder sind auf humusreiche Waldböden angewiesen, um ihr Leistungspotenzial voll ausschöpfen zu können. Sie sind die Wälder für die Zukunft und sie würden sogar von selbst wachsen, wenn man sie nur ließe. Wir müssen die Wälder von morgen fit machen für das Klima von morgen.
Auf die Waldbesitzer kommen große Belastungen zu. Sie müssen sich entscheiden ob sie möglichst frühzeitig mit der Verjüngung beginnen, oder ob sie, nachdem sich die Altbestände aufgelöst haben, auf den Kahlflächen mit hohem Aufwand die nächste Waldgeneration nachziehen? Frühzeitige Naturverjüngung unter dem Schirm des Altbestandes, ist der Schlüssel dazu. Das setzt jedoch voraus, dass die Schalenwildbestände dem Wald angepasst sind, was jedoch eine einflussreiche Jagdlobby bekämpft. Hier ist das im Bayerischen Waldgesetz formulierte Ziel „Wald vor Wild“ konsequent umzusetzen. Nur dann ist es möglich, artenreiche Pflanzengesellschaften zu erreichen, die in der Lage sind, lebendige gesunde Böden zu erhalten und noch besser aufzubauen. Boden ist kein totes Material, er ist das Zuhause von Billionen von Bakterien, Pilzen und vielen anderen Organismen. Je höher die Biodiversität oberhalb des Bodens, desto aktiver und vielfältiger das Bodenleben. Forscher fanden heraus, dass in Waldböden null bis 550 Regenwürmer pro qm leben können. Der Regenwurm braucht außer vielfältigem Laub auch Futter, das von einem krautigen Unterwuchs kommt. Bei versauerten Böden, aufgrund von zu viel Fichtennadeln, ist die Regenwurmpopulation sehr reduziert. Je mehr Humusbildung, desto besser sind die Bäume in der Lage, Wurzelmasse zu bilden, damit werden sie vitaler und standfester. Dazu ist es aber auch nötig, möglichst viele Nährstoffe im Wald zu belassen und den Boden vor Verdichtung zu schützen. Das bedeutet, keine Ganzbaumernte, möglichst Äste und Rinde und viel Totholz im Wald belassen, den Waldboden nicht befahren – Rückegassen nur bei geeigneter Witterung nutzen. Bei Humusverlust wird nicht nur der Schutz vor Hochwasser verringert, sondern es nimmt auch die Wüchsigkeit der Wälder ab und es steigt deren Anfälligkeit bei Trockenheit.
Ein gesunder lebendiger Boden mit einem hohen pflanzenverfügbaren Wasserspeicher kann in der Vegetationsperiode mehr Biomasse produzieren und dadurch eine höhere Klimaleistung erzielen. Was wiederum zu erhöhtem Niederschlag sowie zu geringerem Temperaturanstieg führt.
Folgerungen und Maßnahmen
Artikel 1 BayWaldG: „Der Wald hat besondere Bedeutung für den Schutz von Klima, Wasser, Luft und Boden, Tieren und Pflanzen, für die Landschaft und den Naturhaushalt. Er ist wesentlicher Teil der natürlichen Lebensgrundlage und hat landeskulturelle, wirtschaftliche, soziale sowie gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen. Der Wald ist deshalb nachhaltig zu bewirtschaften, um diese Leistungen für das Wohl der Allgemeinheit dauerhaft erbringen zu können“.
Staat und Politik wissen sehr genau, um was es geht. Darum muss das oberste Ziel der Staats- und Kommunalwälder auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein, und nicht dem Erlös vom Verkauf des Holzes. Diese Zielerreichung ist von unabhängigen Stellen periodisch zu prüfen.
Die Forstleute sind darauf zu schulen, dass sie natürliche Walddynamiken besser verstehen und in der Beratung berücksichtigen. Dazu ist es auch nötig, öffentliche Wälder mit ausreichender Fläche dauerhaft aus der Nutzung zu nehmen, um natürliche Abläufe und Entwicklungen zu erforschen, besser zu verstehen und dann danach handeln zu können.
Boden und Humus müssen viel besser als bisher geschont werden und es müssen bodenschonende und flächensparende Arbeitsweisen gefördert werden, wie zum Beispiel: Seilbringung, rücken mit Pferden und die Begrenzung von Rückegassen auf ein absolutes Minimum.
Den Privatwaldbesitzern sind besondere Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, besser als bisher zu honorieren.
Unbedingt erforderlich ist es, die Dichte des Schalenwildes dem Lebensraum anzupassen, damit die Waldverjüngung und die zukünftige Baumvielfalt nicht verhindert werden. Das ist von den Jagdbehörden vorrangig zu überprüfen und einzufordern. Die ökologischen Schäden bestehen im Wesentlichen aus dem selektiven Verbiss von Baumarten, die für ein intaktes Waldökosystem wichtig sind. Dies gilt auch für den Verbiss von Bodenpflanzen. Bei Letzteren sind es insbesondere Stickstoff liebende Pflanzen wie Latticharten und Waldweidenröschen, die für die Speicherung von Stickstoff im Boden sorgen.

Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist? Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt (Berthold Brecht).

Zur Wiederherstellung der Artenvielfalt sollten Sonderprogramme für besonders bedrohte Arten aufgelegt werden.
Außerdem sind die Bestimmungen der Verkehrssicherungspflicht so zu gestalten, dass auf Waldwegen für Biotopbäume und stehendes Totholz keine Verkehrssicherungspflicht besteht.
Waldpädagogik, Natur- und Umweltbildung sind sehr wichtig für das Naturverständnis der Bevölkerung und für eine umweltgerechte Lebensweise, das muss in allen Schulen vermehrt gefördert und gestärkt werden. Die Finanzierung muss langfristig vom Bund und den Ländern gesichert sein.
Zerstörungen an Wäldern, Böden, Fischgründen und Erzadern, die Ausrottung von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten und die globale Erwärmung werden uns die künftigen Generationen nicht verzeihen.
Leider ist es auch im Wald so wie zurzeit in allen anderen Wirtschaftszweigen, dass immer jene am meisten Gewinn machen, die Klima, Boden, Wasser, Umwelt und letztlich auch unsere Gesundheit schädigen. Das muss sich möglichst schnell ändern. Dazu brauchen wir aber faire Rahmenbedingungen, damit diejenigen belohnt werden, die Natur und Umwelt schonen. Wenn wir im Wald schon die Veränderungen nicht schaffen um natur- und umweltverträglich zu wirtschaften, wie sollen wir es dann erst in Industrie und Landwirtschaft fertigbringen?
Wir dürfen aber nicht nur vom Staat fordern, wir müssen auch selbst unseren Beitrag dazu leisten, denn je mehr Menschen sich für einen zukunftsfähigen Wald einsetzen, umso schneller wird sich die Richtung ändern. Auch wir müssen die Vielfalt erst wieder neu entdecken und kennenlernen, was uns die Natur kostenlos schenkt, wenn man sie nur lässt. Durch Technik werden wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, darum müssen wir dem Wald möglichst schnell die Möglichkeit geben, sich in seiner Vielfalt zu verjüngen, um so somit besser für die Zukunft gerüstet zu sein. Da ein Drittel Deutschlands mit Wald bedeckt ist, wird dieser und sein Boden ganz erheblich mitentscheiden wie viel Wasser bei Starkregen gepuffert werden kann. Humusreiche Böden speichern sehr viel mehr CO2 dauerhaft ein, als saure Böden unter Fichten.

Was bringt uns die Zukunft.
Klimaberechnungen und Computermodelle zeigen, dass wir im Klimawandel mit höheren Temperaturen, mit mehr und längeren Heiß- und Trockenphasen in der Vegetationszeit rechnen müssen, dass bedeutet eine Änderung der „Spielregeln“ im Naturhaushalt. War früher die Temperatur unser begrenzender Wachstumsfaktor, so wird in Zukunft das „pflanzenverfügbare Wasser“ in der Vegetationsperiode der Minimumfaktor sein. Der Überfluss an Grund- und Regenwasser in unserer Region wird daher keine Selbstverständlichkeit mehr sein. Ein gesunder Wald garantiert einen gesicherten Verdunstungskreislauf, inclusive seiner kühlenden Effekte.
Nur bei Wachstum sondern Bäume Terpene ab, die als Kristallisationspunkte für Regentropfen dienen, ansonsten würde das Wasser nutzlos verdunsten und nicht zur Regenbildung in der Atmosphäre führen. Um dieses Wachstum auch bei Hitzewellen zu gewährleisten muss der Wald genügend Wasser zur Verfügung haben. Deshalb muss in Zukunft größtes Augenmerk auf den Wasserhaushalt des Waldes gelegt werden. Dabei ist die Transpiration der Bäume und Wälder in der Vegetationsperiode entscheidend, denn ihre kühl-feuchte Luft (23-25°C am Tag) generiert wieder Niederschlag in der Region. Die Fähigkeit zur Wasserspeicherung hängt zum einen vom Standort und zum andern vom Grad der Durchwurzelung mit Feinwurzel und der Dichte an Regenwürmern im Boden ab. Hervorragend schneiden hier fein- und tiefwurzelnde vom Regenwurm bevorzugte Laubbäume wie Ahorn, Ulme, Esche, Linde, Erle, Eberesche, Elsbeere oder Wildkirsche ab. Generell wäre es gut, wenn wir einen Anteil von mindestens 20% an Edellaubhölzern in Mischung mit Buche, Tanne und Fichte erreichen. Da ein großer Teil dieser Baumarten auch für Insekten lebenswichtig ist, muss die Entwicklung zu regenwurm- und insektenliebenden Dauerwäldern führen. Gesunde Böden mit hoher Regenwurmdichte liefern den notwendigen Wasserspeicher und die benötigten Nährstoffe. Die Humusmehrung und die notwendige Erhöhung der Bodenleistung ist die beste Anpassungsstrategie für die Zukunft.
Es ist eine Frage der Verantwortung, ob wir uns diese Fakten zu Herzen nehmen und danach handeln. Wir sollten für unsere Kinder eine Welt hinterlassen, in der es sich so leben lässt, wie wir heute leben können.
Weißt du nicht, dass die Wälder das Leben eines Landes sind (Babylonische Keilschrift)

Leonhard Strasser
Bauer und Waldbesitzer
Sprecher Agrarbündnis BGL/TS

Meine inspirierenden Bücher und Quellen 

Erich Hornsmann: Allen hilft der Wald, Bayerischer Landwirtschaftsverlag München 1958 

Georg Meister, Monika Offenberger: Die Zeit des Waldes, Verlag zweitausendeins Mai 2004 

Ludwig Pertl Ansprechpartner beim Projekt Links4Soils – Lebenswerter Alpenraum

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