Werden die Bauern falsch beraten?
Das war die zentrale Frage einer Informationsveranstaltung im fast vollen Saal des Michlwirts in Palling.
Die beiden Referenten Prof. em. Dr. Onno Poppinga von der Uni Kassel Witzenhausen und Dr. Karl-Heinz Schmack, Tierarzt aus NRW , die bei einem Vortragsabend von AbL, Iggt, Agrarbündnis und Bund Naturschutz über die Nachteile der Düngeverordnung und einer zu eiweißreichen Fütterung für die Kühe referierten, waren sich darin einig. Die Bauern werden falsch beraten.
Prof. Poppinga berichtete über kritische Aspekte der Düngeverordnung.
Deutschlandweit gäbe es einen hohen Überschuss an Stickstoff auf der Fläche, auch im Landkreis Traunstein. Der Überschuss ginge in die Luft, in den Boden und ins Grundwasser, aber nicht in den Ertrag. Die Düngeverordnung sei ein Versuch, den Stickstoffeintrag zu reduzieren, aber die Hauptprobleme würden dabei nicht gelöst. Er zitierte Prof. Taube von der Uni Kiel mit folgender Aussage: Im Durchschnitt haben wir in Deutschland zwischen 90 und 100 kg Stickstoffüberschuss je Hektar auf der Fläche. Das entspricht 250.000 LKW-Ladungen Stickstoff. Eine einzige Verschwendung, denn rechnet man den Überschuss um in Kalkamonsalpeter ergibt das einen Verlust von jährlich 1,8 Mrd. Euro – von den Bauern bezahlt – zum Wohle der Industrie.
Mehrjährige Feldversuche brachten das Ergebnis, dass bei einer Reduktion von Stickstoff um 40 % der Ertrag nur um 10% abnahm. Aufgrund des abnehmenden Ertragszuwachses ist es somit wirtschaftlicher für die Bauern, den Düngeeinsatz zu reduzieren. Außerdem ließe sich damit auch der Pestizideinsatz reduzieren. Dies alles hätte positive Auswirkungen auf Grundwasser, Bodenleben und Artenvielfalt.
Kühe, die mit weniger Kraftfutter gefüttert werden, haben eine geringere Milchleistung, seien aber dafür gesünder und langlebiger. Nicht die Milchleistung oder die Erntemenge sei entscheidend, sondern eindeutig das Kosten-Nutzenverhältnis. Wenn man das beachtet, dann ist eine umweltverträglichere Landwirtschaft ohne Mehraufwand bei gutem Einkommen möglich.
Prof. Poppinga betonte immer wieder, dass die heute vorherrschende intensive Wirtschaftsweise keine Erfindung der Bauern sei, sondern Resultat jahrzehntelanger falscher Beratung der Bauern.
Hans Urbauer aus Kienberg fragte, ob es auch im Grünland zu Auswaschungen kommen könnte, was bejaht wurde. Die gute fachliche Praxis müsse neu definiert werden.
Der Tierarzt Dr. Karl-Heinz Schmack betonte in seinem sehr lebendigen Vortrag, dass die Bauern auch bei der Fütterung falsch beraten würden. Wirtschaftliche Milchviehhaltung ist nur mit gesunden, langlebigen Tieren möglich. Die verkürzte Nutzungsdauer der Milchkühe ist in erster Linie auf eine zu eiweißreiche Fütterung zurückzuführen. Ein zu hoher Rohproteinanteil ( über 14%) in der Futterration führt zu Degenerationserkrankungen wie Klauenerweichung, Mortellaro, Fruchtbarkeitsstörungen und Euterkrankheiten bei den Kühen. Leber und Niere würden geschädigt und damit die Umwandlung des Ammoniaks im Blut in Harnstoff beeinträchtigt.
Aus diesem Grund werden Kühe heute in der Regel nicht mehr alt. Im deutschen Durchschnitt ist nach 2,3 Kälbern Schluss.
Seine Thesen bewies der Tierarzt anhand von mitgebrachten Innereien von Schlachttieren, die alle massive Leber- und Nierenschäden aufwiesen. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass Kälber oft schon mit geschädigten Organen geboren werden und die Gesundung Generationen dauern wird.
Die Frage einer Zuhörerin, wann denn der geeignete Schnittzeitpunkt für den ersten Schnitt sei, um die Kühe nicht zu überlasten, beantwortete Dr. Schmack mit „nach der Löwenzahnblüte!“
Beate Rutkowski von Bund Naturschutz folgerte daraus, dass man somit mit einer gesunden Fütterung der Kühe auch etwas für die Artenvielfalt der Insekten tun könnte.
Die Erkenntnis des Abends war für viele der 120 anwesenden Landwirte, dass die auf die Interessen der Agrarindustrie ausgerichtete Beratung dem Landwirt viel Kosten, Aufwand und Kummer mit kranken Tieren bringen kann.
Mehrere Bauern im Saal bestätigten, dass sie nach Umstellung der Fütterung weniger Probleme im Stall, weniger Tierarztkosten und somit mehr Freude am Bauer-Sein hätten.