Das Reh – Tier des Jahres 2019

Unser Mitglied des Agrarbündnis BGL/TS  die ÖJV Regionalgruppe Südostoberbayern

organisiert eine Infoveranstaltung

Zum Reh, dem Tier des Jahres 2019 der Deutschen Wildtierstiftung

Rehe: Äußerst erfolgreich – auch ohne Fütterung?

Wonneberg.(von Christiane Giesen) Rehwild gibt es seit zehn Millionen Jahren. Sind die Rehe am Aussterben, weil heute zu viele geschossen wer-den? Ist der Wald durch den Wildverbiss in akuter Gefahr? Bei einer sehr gut besuchten Info- und Diskussionsveranstaltung im Gasthof Alpenblick in Wonneberg diskutierten Jäger, Förster, Waldbauern und andere Interessierte zum Thema „Rehe: äußerst erfolgreich auch ohne Fütterung?“

(von links) Professor Andreas König, Dozent für Wildtierökologie und –management an der TU München, und der Wildbiologe Robin Sandfort von der Uni Wien . Daneben der Veranstalter Stefan Zauner, Vorsitzender der Regionalgruppe Südost-Oberbayern im ÖJV. Foto: Giesen

Organisiert vom Ökologischen Jagdverband (ÖJV), Regionalgruppe Südost-Oberbayern, auch Mitglied im Agrarbündnis BGL/TS, stellte der Vorsitzen-de, Stefan Zauner, die beiden Referenten vor – Robin Sandfort vom Institut für Waldbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität in Wien, und Professor Dr. Andreas König, Dozent für Wildtierökologie und -management an der TU München.
In einem hoch informativen Impulsreferat zeigte Wildforscher Robin Sandfort, Master of Science, anhand verschiedener wissenschaftlicher Beobachtungen von Rehwild in unterschiedlichen Gebieten, besonders der Steiermark, die neuesten Ergebnis-se der Bestandsentwicklung von Rehen und ihre Ursachen auf. Er belegte anhand von Forschungen aus über 15 Jahren mit „besenderten“ Rehen (mit GPS-Sendern) , dass die Reaktion von Rehwild auf menschliche Eingriffe wie Jagd und Fütterung gerade in Zeiten des Klimawandels um vieles komplizierter ist als die simple Schlussfolgerung „hoher Abschuss – gesunder Wald“.
Unnötigen Jagddruck gelte es im Interesse des Wildes zu vermeiden, denn „dann macht es, was es am besten kann, es wird unsichtbar…, zitierte er die Fachliteratur. Durch den Klimawandel gebe es zwar eine deutlich verlängerte Vegetationsphase, aber im Herbst trockne die Vegetation aus und die Qualität der Nahrung nehme stark ab, so dass Kitze an extremem Gewichtsverlust sogar sterben können.
Zum Thema „Müssen Rehe gefüttert werden?“ sprach im zweiten Referat Professor Dr. Andreas König, auch Vorsitzender der Vereinigung Wildbiologen und Jagdwissenschaftler Deutschlands (VWJD). Der Tod von schwachem Rehwild im Winter sei ein wichtiger Motor der Selektion. König, der seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet forscht, sagte, dass die Wildtierfütterung im Winter oft falsch gehandhabt werde, obwohl missbräuchliche Fütterung strafbar sei und außerhalb der Notzeiten überhaupt verboten. Zum Beispiel würden von manchen Jägern Unmengen von Apfeltrester (Rückstände, die beim Auspressen von Äpfeln übrig bleiben) in den Wald geschüttet, der dann oft verschimmle und im Pansen (Magen) von Rehen lebensgefährliche Parasiten hinterlasse, so dass sie qualvoll endeten. Es sei ein Trugschluss, dass die Verbissschäden durch Rehwild abnähmen, wenn sie gefüttert würden, denn das hänge meistens von der Bejagung ab. Es könne aber noch weniger eine Lösung sein, verdorbene, verpilzte Futtermittel zu füttern, die großes Tierleid erzeugen. „Lasst die Tiere einfach in Ruh!“, so der Professor.
„Revieregoismus“ oder Notwendigkeit?
Bei der anschließenden, sehr lebendigen Diskussion unter der Leitung von Dr. Klaus Thiele wurde deutlich, das die Meinungen von Jägern, Natur- und Tierschützern oft weit auseinander gehen, wenn es um die Notwendigkeit der Fütterung von Wildtieren geht. Moderator Dr. Thiele, ehemaliger Forstdirektor von Marquartstein, sagte einleitend, dass das Reh zum „Tier des Jahres 2019“ von der Deutschen Wildtierstiftung ernannt wurde. Es habe in unseren Breiten noch nie so viele Rehe wie heute gegeben. Sie seien das größte Problem für das Gedeihen eines natur-nahen Mischwalds und Grund für die enorm ansteigende Zahl von Wildunfällen. Einer aus dem Publikum unterstrich die Meinung, dass die Diskussion um die Fütterung nicht sachlich, sondern sehr emotional geführt werde, denn „man muss kein Reh füttern“. Ein anderer sagte, das Füttern sei reiner „Revieregoismus“, weil das Rehwild nicht als Allgemeingut gesehen werde, sondern gewissermaßen als Eigentum des jeweiligen Jagdpächters. Daher wollten viele Jäger die Tiere durch Füttern ans Re-vier binden. „In den Köpfen der alten Jäger“ sei verankert, dass Notzeit für die Wildtiere herrsche, sobald Schnee liege. Es sei erschreckend, wenn man immer wieder die immensen Haufen von Wildfutter im Wald sehe. Ein anderer erklärte, durch die Fütterung würde die Population der Rehe erhöht. Wenn die Tiere im Frühjahr eine bessere Kondition hätten, könnten sie leichter überleben und entsprechend steige die Reproduktionsrate.
Hans Berger, Vorsitzender der Regionalgruppe Berchtesgadener Land im BJV, meinte, die Wildbestände müssten an den Zu-stand des Waldes angepasst werden. Er zitierte den Bereichslei-ter des Amtes für Landwirtschaft und Ernährung in Traunstein, Alfons Leitenbacher, der sage, der Zustand des Waldes zeige, ob die Jagd stimmt. Auch in Berchtesgaden sei der Verbiss teil-weise stärker geworden, sagte Berger, so dass der Wildbestand besser angepasst werden müsse. Wie das gemacht werde, sei weniger wichtig.
Referent Robin Sandfort erklärte zu der raschen Vermehrung der Rehe, dass die Rehgeiß energetisch optimal für Zwillingsgeburten angelegt ist. Seltener sei ein Kitz, eher „normal“ zwei Kitze, auch drei und sogar vier (in Sibirien zum Beispiel) bei guten Bedingungen. Der Herrgott habe allerdings eine Ober-grenze gesetzt, so Sandfort, weil besonders das Nierenfett die Vermehrung fördere und entsprechendes Futter im Winter wenig zu finden sei.
Gwichtl künstlich vergrößern?
Einer der Berufsjäger von den Staatsforsten kritisierte, dass manche Privatjäger gerne chemisch aufbereitete Futtermittel wie „Profi“ verwenden, die das Wachstum der „Gwichtl“ (Gehörn) besser wachsen ließen, um bei den Trophäenschauen besser da-zustehen. Ein anderer Berufsjäger stellte fest, dass durch falsche Rehwildbestände auch der Schwarzwildbestand steigt. Zum Teil sei es schon „fachlich total überholt“, was heute noch bei der Jungjägerausbildung gelehrt werde.
Ein Vertreter des ÖJV fragte die Referenten, ob sie die Forschungsergebnisse zur Wildtierfütterung auch an das zuständige Staatsministerium weiterleiten, so dass die Ergebnisse auch in die Legislative einfließen könnten. Professor König antwortete, dass das selbstverständlich geschehe. Hier seien aber eher die Politik und die Untere Jagdbehörde zuständig. Auch Klaus Thie-le betonte, dass es Aufgabe der Verbände wie ÖJV, BJV und Naturschutz sei, die Politik dazu zu bringen, bestehende Gesetze durchzusetzen und neue auf den Weg zu bringen. Aus Zeitgrün-den musste die lebhafte Diskussion abgebrochen werden.

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