Gegen das „ewige Wachsen oder Weichen“

Idyllisches Stelldichein im Grünen, von links Schorsch Planthaler (Moderator Film), Beate Rutkowski (Bund Naturschutz), Leonhard Strasser (Sprecher Agrarbündnis)

Presseartikel von Hans Eder zum Film „Weiloisirgendwiazamhängd“

Gegen das „ewige Wachsen oder Weichen“
Landwirte, Gärtner, Imker, Bäcker und Direktvermarkter zeigen Alternativen auf

Landkreise Traunstein/Berchtesgadener Land. Engagierte Mitglieder des Agrarbündnisses Berchtesgadener Land-Traunstein haben sich in den letzten zwei Jahren neben der Arbeit auf ihren Höfen auch als Schauspieler betätigt. Ein gutes Dutzend von ihnen, darunter der Sprecher des Agrarbündnis BGL/TS Leonhard Strasser, die BDM-Vorsitzenden der beiden Landkreise, Liesi Aschauer und Sepp Hubert, sowie die AbL-Bundesvorsitzende Gertraud Gafus, folgte den Anweisungen von Kameramann Erwin Mertl und trug so dazu bei, dass ein gut eineinhalbstündiger Film entstand, der positive Ansätze in Landwirtschaft und regionaler Vermarktung aufzeigen sollte……

Im Agrarbündnis sind zahlreiche Vereine und Organisationen zusammengeschlossen, die ein Ziel gemeinsam haben: eine Neuausrichtung der Agrarpolitik, die sozial gerecht, bäuerlich, ökologisch und umweltschonend sein soll. Dass die derzeitige Landwirtschaft diese Voraussetzungen nicht erfüllt, davon sind die Mitgliedsverbände überzeugt; vielmehr ist man der Meinung, dass die Landwirtschaft in eine Richtung gelenkt werde, die weder für die Bauern zukunftsfähig noch für die Verbraucher gut ist und die auf Dauer die natürlichen Lebensgrundlagen zerstöre.

Beim Agrarbündnis mit dabei sind unter anderem die folgenden Organisationen: BDM, Bund Naturschutz, Aktion Zivilcourage, Forum Ökologie, attac, AbL, Eine-Welt-Forum Bad Reichenhall und Slow Food. Trotz ihrer zahlreichen Informationsveranstaltungen dürften sich dessen Mitglieder oft wie die Rufer in der Wüste vorkommen, die zwar lautstark aufrütteln wollen, aber nur von wenigen gehört werden. Dies erkennend, haben sich die Verantwortlichen nun ein Medium ausgesucht, von dem sie sich eine große Breitenwirkung erhoffen: einen Film. Über eineinhalb Stunden zeigen Landwirte, Gärtner, Imker, Bäcker und Direktvermarkter Alternativen auf, die im Kleinen funktionieren und die – so die Überzeugung und die Botschaft des Films und seiner Macher – ein Beispiel für die gesamte Landwirtschaft sein könnten.

Das Drehbuch ist ganz einfach gestrickt: Schorsch Planthaler fährt mit seinem knallgelben almgängigen Traktor durch die beiden Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land und besucht Betriebe, die auf ihre Weise Pioniere einer zukunftsweisenden Landwirtschaft, Bodenbewirtschaftung und Vermarktung sind. Denn man wollte ja nicht jammern, sondern Alternativen aufzeigen.

Da ist etwa Sepp Hubert aus Reichersdorf in der Gemeinde Kirchanschöring. Er fordert als Traunsteiner Kreisvorsitzender des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM), dass bei der Milch die Nachfrage dem Angebot angepasst werden müsse. Gleichzeitig spricht er sich massiv gegen Agrogentechnik aus. Und dann zeigt er stolz sein Getreidefeld aus einem Gemenge verschiedener Sorten, das weder Spritzen noch Düngen braucht: „Mia importiern Fuadamittl, dann exportiern ma d’Milli , und de Scheisse bleibt bei uns da. Und dann wundern mia uns, wenn der Waginger See überdüngt is. Aber mia werdn ois macha, dass des anders werd.“

Gehört der Betrieb von Sepp Hubert eher zu den großen in der Region, so ist die Landwirtschaft von Liesi und Albert Aschauer in Gumperting bei Teisendorf ein Beispiel für die immer mehr abnehmenden kleinen landwirtschaftlichen Betriebe. Dabei bräuchten gerade diese dringend einen Milchpreis von 40 bis 50 Cent, fordert Liesi Aschauer, die Kreisvorsitzende des BDM im Berchtesgadener Land: „So wie jetzt mit einem Milchpreis von 25 Cent kann kein Bauer überleben, egal ob groß oder klein, weil er mit jedem Liter draufzahlt.“

So geht die Reise von Moderator Schorsch Planthaler zu einem runden Dutzend von Höfen; von jedem von ihnen nimmt er Anregungen mit, wohin eine zukunftsweisende Landwirtschaft gehen sollte. Sepp Probst aus Chieming zeigt auf, wie man mit der richtigen Fruchtfolge auch ohne Spritzmittel Getreide anbauen kann. Hans Praxenthaler aus Fridolfing und Leonhard Strasser aus Wonneberg führen naturnahe Waldbewirtschaftung vor, und Imker Simon Angerpointner schildert die Situation der Bienen, denen durch den frühen Mähzeitpunkt und das Verschwinden von Blütenpflanzen nach und nach die Lebensgrundlage genommen wird. Walter Gründl vom Umweltgarten in Wiesmühl an der Alz bezeichnet es als „Wahnsinn“, dass bei uns auf den besten Böden Futter für die Biogasanlagen angebaut wird, während gleichzeitig Eiweißfutter aus Südamerika eingeführt werden muss.

Die in der kleinstrukturierten Landwirtschaft erzeugten Produkte brauchen auch die richtigen Vermarktungsvoraussetzungen. Ob der Bauernmarkt in Traunstein, der Eine-Welt-Laden in Teisendorf, der Laden vom „Gmias-Miche“ Michael Steinmaßl in Kirchanschöring: Sie und viele andere kleine Unternehmungen mehr bringen die regional erzeugten Produkte unter die Leute.

Steinmaßl führt vor, wie man mit biologischer und regionaler Erzeugung und Vermarktung auch von einem Betrieb den Lebensunterhalt für eine Familie erwirtschaften kann, der gerade mal vier Hektar groß ist: „Ja mei, mia san a kloane Landwirtschaft gwen, meine Eltern hams im Nebenerwerb gmacht. Für mi und mei Familie langt de kloane Fläche, dass ma überleben kinnan.“

Ähnliche Wege geht auch Gertraud Gafus hoch droben auf der Fürmann-Alm bei Anger: Von der arbeitsintensiven Almbewirtschaftung allein lässt sich kaum leben, die Gastronomie sorgt hier für den notwendigen Zuverdienst. Und als Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisiert sie heftig die Verwendung von Round-up und bedauert, dass der Großteil der Politiker nicht die Courage habe, für die Menschen zu stimmen – sondern eben für die Großindustrie und deren Produkte: „Dass des ewige Wachsen oder Weichen heid no offen propagandiert werd, is a Blädsinn. Eigentlich moant ma Weichen, damit da andere wachsen kann.“

So wollen die Verantwortlichen des Agrarbündnisses mit ihrem Film Anregungen weitergeben und die Öffentlichkeit wachrütteln. Konsumenten und Produzenten sollen Denkansätze vermittelt werden, damit die Umwelt zu ihrem Recht kommt und dass – ganz und gar nicht zuletzt – die bäuerlichen Familienbetriebe für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Damit das möglich ist, müssen baldmöglichst die Voraussetzungen geschaffen werden, dass sie auch die Gegenwart überleben. Dazu darf die Landwirtschaft nicht auf die Lieferung billiger Rohstoffe für die Lebensmittelproduktion reduziert werden – zum Schaden von Natur, Tier und Mensch.

Die bäuerliche Kulturlandschaft zu schützen, die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern zu schätzen, den Tierschutz ernst nehmen und fairen Handel und Klimaschutz in die Überlegungen mit einzubeziehen: Das fordert das Agrarbündnis – und diese Botschaft möchte der aktuelle Film weitergeben. Denn es hängt alles miteinander zusammen, und keines kann und darf vom anderen getrennt werden; daher heißt der Film auch „Weiloisirgendwiazamhängd“ („Weil alles irgendwie zusammenhängt“).

Bei alledem wird auch an die Mitverantwortung der Bauern appelliert, sich auch selber – jeder in seinem Bereich – für eine Änderung der Rahmenbedingungen einzusetzen, weg von dem viel gepredigten „Evangelium“, dass der Export es schon richten würde, und hin zu regionalen Strukturen, die umweltfreundlich sind und die letztlich der Landwirtschaft zu einem partnerschaftlichen Miteinander mit den Konsumenten verhelfen. He

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