Agro-Gentechnik erklärt ohne Lobbyismus
Text und Fotos: Alois Albrecht
Professor Antônio Andrioli zum Thema: „Gentechnik: die patentierte Zerstörung“ einen Vortrag mit nachfolgender Diskussionsrunde. Zur Veranstaltung eingeladen hatte das „Agrarbündnis BGL/TS“. Seinen Doktortitel erhielt Prof. Andrioli an der Universität Osnabrück mit seiner Dissertation: „Biosoja versus Gensoja“. Prof. Andrioli ist jetzt auf dem Campus Cerro Largo als Professor und Vizepräsident an der schwerpunktmäßig mit nachhaltiger Landwirtschaft Weibhausen. (al) Im Saal des Gasthausen in Weibhausen hielt der für seine Meinung hinsichtlich Gentechnik im Agrarbereich bekannte brasilianische und Agrarökologie befassten UFFS (Universidade Federal da Fronteira Sul“ im Süden Brasiliens tätig. Zudem ist Prof. Andrioli wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes-Keppler-Universität Linz und also sicher sehr gut mit dem Thema von Gentechnik in der Landwirtschaft vertraut.

Der volle Saal zeigte, Bauern und Verbraucher sind sowohl an der herkömmlichen Gentechnik in der Landwirtschaft, als auch den neueren Methoden des CRSPR/Cas, die unter dem Synomym „NGT“ (New Genetic Techniques) verbreitet wird interessiert und wollen sich darüber informieren. Bei der CRISPR/Cas und anderen Methoden soll es möglich sein, mit einer sogenannten „Gen-Schere“ Gene in DNA-Strängen zu platzieren, ein- oder auszuschalten. Wegen dieser Verfahren hat im Sommer 2023 die EU-Kommission eine Lockerung des bestehenden Gentechnikrechts vorgeschlagen. Prof. Andrioli meinte dazu, auch ein Eingriff mit den neuen Techniken sei eine Manipulation des Erbgutes und die Effekte und Gefahren viel zu wenig erforscht. Selbst wenn die Methode selbst sich als nicht gefährlich herausstellen sollte, was wegen der vielen Zusammenhänge zwischen den Genen und dem Erbgut als Ganzem nicht bewiesen sei, könne auch bei der Gentechnik II nicht auf einen massiven Gebrauch von sogenannten „Pflanzenschutzmitteln“ verzichtet werden. Die Bezeichnung „Pflanzenschutzmittel“ meinte Prof. Andrioli sei ohnehin nur ein freundlich klingendes Synonym für „Agrargifte“. Zudem gelte auch im Fall der neuen Techniken, dass das zu vernichtende Unkraut gegen diese Mittel resistent würde und immer mehr und stärkere Agrargifte gebraucht würden. Das Zusammenspiel und die Funktionen im Genbereich seien sehr komplex und noch lange nicht genügend erforscht. Als Beispiel nannte Prof. Andrioli, dass es im menschlichen Körper weniger als 30000 verschiedene Gene gebe, von denen aber über 200000 Eiweiße kodiert würden. Dieser auch auf die Agrartechnik übertragbare Vergleich zeige die Schwierigkeiten, mit denen vor allem die Bio-Landwirtschaft betroffen sei. Den Agrokonzernen gehe es jedenfalls vor allem um Profit, der mit ihren Produkten erzielt werden könne. Diese zumeist riesigen Konzerne versuchten kontinuierlich die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen, ohne selbst die Auswirkungen ihrer Produkte genau zu kennen.
Nachdem auch die neuen Methoden von den Herstellerfirmen patentiert werden könnten, käme auf die Bauern neben den Unwägbarkeiten der Auswirkungen der Technik obendrein eine Teuerung zu, sowohl für das Saatgut, als für die Unkrautvernichtungsmittel. Am Beispiel Brasilien erläuterte Prof. Andrioli das durch diese Kosten verursachte Verschwinden von kleinbäuerlichen Betrieben dort. Bauern würden abhängig von großen Agrokonzernen. Das auch hier schon existierende Problem des Verschwindens der kleinbäuerlichen Landwirtschaft würde damit noch verschlimmert. Keineswegs eingelöst würden zudem die Verspechen der Ertragsteigerung und der Eignung von gentechnisch veränderten Pflanzen gegenüber konventionellen beim Klimawandel. Im Gegenteil, es habe sich herausgestellt, dass auf lange Sicht konventionell gezüchtete Pflanzen die gentechnisch gezüchteten übertreffen.
Zudem würden die für die Landwirtschaft so wichtigen Organismen, Insekten, Würmer und andere für einen guten fruchtbaren Boden notwendigen Wesen durch die Gentechnik und die dazu nötigen „Agrargifte“ geschädigt, oder sogar ausgerottet, während sie in der konventionellen Landwirtschaft in einen natürlichen Kreislauf einbezogen würden.
Die Gentechnik in der Landwirtschaft bedinge auch Monokulturen und damit eine Verschlechterung der Wachstumsvoraussetzungen der wenigen durch die Gentechnik ermöglichten Pflanzensorten. Weil in den Laboren der Gentechnikkonzerne nur wenige Pflanzen, wie Mais und Soja gentechnisch verändert werden ginge damit eine Verringerung der Vielfalt auch bei diesen einher. Diese Pflanzen würden entwickelt, um mit möglichst wenig menschlichem Einsatz und wenigen Arten auf riesigen Monokulturen möglichst schnell hohe Gewinne zu erzielen, ohne sie wirklich an lokale Boden- und klimatische Bedingungen anzupassen.

In der dem Vortrag folgenden Diskussion wurde bemängelt, dass auch hier die kleinbäuerliche Landwirtschaft unter Druck stehe und Bauernhöfe von Konzernen aufgekauft und in große Betriebe integriert würden. Um dem Vorzubeugen, meinten mehrere Besucher, sollte die Politik dazu bewegt werden, insbesondere von Bio-bauern Erzeugnisse zu kaufen und sie in Küchen von Krankenhäusern, Schulen und Pflegeheimen zu verwenden. Ein weiterer Diskussionsteilnehmer meinte die Politik sei gefordert Lebensmittel von der Möglichkeit der Patentierung auszunehmen. Bemängelt wurde auch mehrmals der in letzter Zeit scheinbar verloren gegangene Eifer des Widerstandes gegen die Regeln der Politik und der Lobbys. Andere Themen als der Klimawandel seien in den Vordergrund gerückt worden, sogar bei den Grünen von denen kaum noch Vertreter bei Veranstaltungen wie dieser zugegen seien. Es seien vor allem Organisationen wie das Agrarbündnis BGL/TS
und die Bauern selbst, wie der volle Saal zeigte, die sich jetzt gegen den Einfluss der Chemiekonzerne und deren Lobbys in die Politik stemmten. Wie die Entscheidung der EU-Kommission hinsichtlich der Lockerung über die Gentechnik II zeigte gebe es keinen Verlass auf die Politik und es komme darauf an, die bisher geltenden Gesetzte zu erhalten und die Bevölkerung auf die durch die Gentechnik in der Landwirtschaft und für die Verbraucher entstehenden Gefahren aufmerksam zu machen, um die Einführung der Lockerungen zu verhindern. Wie Prof. Andrioli abschließend sagte sollte dabei nicht nur der Spruch: „Global denken und lokal handeln“ beachtet werden, sondern die Herausforderung sei eine globale und er sollte umgewandelt werden in „Global denken und auch global handeln“, denn die Macht der Konzerne sei eine globale. Dazu gehöre die Kontaktierung von Politkern von der lokalen bis zur europäischen Ebene um sie auf den Willen der Bevölkerung gegen die Gentechnik aufmerksam zu machen und danach zu handeln. Als Antwort auf all diese Fragen schlägt Prof. Andrioli die Entwicklung sozial geeigneter Technologien, das solidarische Aneignen von Wissen, die Bildung von Netzwerken und die natürliche Entwicklung von resilienten Pflanzen vor.